SUSE Linux 10.0 (für Debianer)

Ich schaue ja immer mal gerne über den Tellerrand. Deshalb habe ich mir auch das Eval-DVD-Image von SUSE Linux 10.0 gezogen, um mir mal anzugucken was aus dem Betriebssystem geworden ist, von dem ich mich nach Version 7 abgewendet habe (seitdem nutze ich Debian GNU/Linux). Als ich mir angeschaut habe was der Unterschied zwischen der Kaufversion und der Download-Version ist, habe ich mir erst nichts böses dabei gedacht, als dort stand: die Kaufversion hat eine Dual-Layer DVD und damit mehr Platz als das downloadbare DVD-Image (Liste der fehlenden Pakete). Als Debianer bin ich ein im Vergleich zu SUSE ein sehr spartanisches Installationsprogramm gewöhnt. Der neue Debian-Installer tut aber sehr gute Dienste und erlaubt mir jederzeit die volle Kontrolle über den Installationsprozess.
Der SUSE-Installer kommt als Quitschi-Buntes Setup-Programm daher, genauso wie man von Windows kennt, nur besser. Die Optik gefällt zugegebenermaßen schon, mir als versierter Linux-Nutzer mißfällt aber das beim Booten automatisch ein animiertes Bildchen angezeigt wird und nicht die Linux-Startmeldungen. Zum Glück kann man das aber mit ESC unterbinden und sieht wofür der Linux-Kernel bei der Installation grade so lange zum Booten braucht (Hardware-Erkennung dauert halt, das kennt man von KNOPPIX). Die Installation fand später am Abend statt, ich war also etwas müde. Ich habe SUSE 9 mal zum Testen in VirtualPC installiert, von daher war mir der Installer nicht fremd, der bei jedem neuen Installationsschritt erstmal eine Denkpause einlegt um die Einstellungen aufzubereiten. Den ersten Schock gab es beim Partitionieren der Festplatte, im Formatierschritt blinken kurzzeitig Partitionsnamen auf, die der SUSE Installer eigentlich nicht formatieren sollte (hat er zum Glück auch nicht :-)). Der zweite Schock kam mit der bösen Überraschung, das der SUSE Installer den Bootloader kommentarlos in den Master-Boot-Record (MBR) meiner ersten Festplatte schrieb, obwohl ich SUSE brav auf die dritte Platte, abseits von den bestehenden Systemen (Debian und Windows XP) installiert hatte. Ich hatte keine Möglichkeit zu sagen, das ich den Bootloader nur im Boot-Sektor der boot-Partion installieren wollte, oder ihn auf eine Diskette schreiben wollte. Das ist in meinen Augen ein sehr schwerer Patzer von SUSE. Wenn alles zu spät ist, kann man die Einstellungen natürlich ändern, aber das hilft auch nicht direkt Debian wieder gebootet zu bekommen. Ich muß dann dem SUSE-Bootloader beibringen auch in mein Debian starten zu lassen und dann dort den MBR mit grub-install /dev/hda wieder herstellen. Ich habe dann dem grub Bootloader auf Debian-Seite beigebracht das SUSE zu booten, was allerdings in etwas Handarbeit ausartete: ich mußte den zu bootenden Kernel und das initrd direkt auf dem root-Dateisystem ablegen (als vmlinuz und initrd) und im grub das Image von Hand anlegen.

Nach dem Boot-Fiasko konnte ich dann endlich SUSE ausprobieren. Das KDE 3.4 gefällt mir in seiner Aufmachung, ich habe es auch schon auf meinem Debian-System. Ein Ärgernis in meinen Augen ist nach wie vor yast. Es laufen auch bei kleineren Änderungen irgendwelche Skripte durch, die die Änderungen im System verankern, auch wenn sie garantiert nicht gebraucht werden. Das sorgt für Zwangspausen in der Administration, vor allem wenn man in verschiedenen Dialogen hin- und her ändern muß/will. Was gut geklappt hat war das Online-Update, für das es auch ein KDE Programm gibt, das einen auf vorhandene Updates hinweist und auf Wunsch auch direkt runterladen und installieren kann, ohne das der Benutzer dazu etwas tun muß. Als nächstes wollte ich mir dann eine Arbeitsumgebung einrichten und hier wurde es jetzt richtig ärgerlich. In der Softwareinstallation von yast2 suchte ich nach Mozilla Thunderbird, meinem Lieblings-eMail-Programm. Fehlanzeige. Ein Paket Mozilla-mail gabs dann wohl, aber das gehört scheinbar zur Mozilla-Suite, denn einen Thunderbird brachte es nicht zum Vorschein. Als Debian-User ist man gewohnt das alle Softwarepakete über das Internet nachinstalliert werden können, bei SUSE scheint das nicht wirklich der Fall zu sein, zumindest habe ich das auch nach dem Eintragen von mehreren Repositories, die ich auf der SUSE-Seite gefunden habe, nicht geschafft. Ärgerlicherweise fehlt auch licq oder psi als ICQ-Client völlig. Das führte dann meinerseits zu einem enttäuschten Abbruch meines SUSE-Ausflugs, da ich ohne diese Programme kein sinnvolles System zum Arbeiten aufbauen kann. Um die Frage wie ich diese Programme unter SUSE 10 installiert bekomme werde ich mich vielleicht später mal kümmern, RPMs für die Vorgängerversion waren über rpmseek.com nicht mehr zu bekommen und SUSE 10 gibt es dort als Architektur noch nicht. Nachtrag: Thunderbird und licq sind tatsächlich nur in der Kaufversion enthalten, wie die Liste der fehlenden Pakete offenbart.

Fazit: Der Installer ist schick und scheint von der Hardware her einiges konfigurieren zu können. Von den Patzern mit dem Boot-Loader und der für mich mangelhaften Software-Ausstattung in der Download-Version abgesehen könnten Linux-Einsteiger mit der Kaufversion (mit Handbuch) warscheinlich ein gutes System bekommen. Erfahrenen Linux-Nutzern (und vor allem Debian-Nutzern ;-)) würde ich von einem Umstieg abraten.
Ein unangenehmer Nebeneffekt kam außerdem zutage, den Windows auch regelmäßig (aber nicht so häufig wie SUSE hervorruft): wenn ich Windows reboote, fängt der Rechner ab und zu an zu pipsen und bootet nicht mehr hoch. Ich muß den Rechner dann ausschalten und wieder einschalten. Bei SUSE tritt dieser Effekt bei jedem Reboot auf. Ich habe noch nicht herausgefunden woran das liegt, vor allem weil Debian mit apic und lapic den Rechner anstandslos rebooten kann.